Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht

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Unter anderem durch die Unterstützung des Fanrechtefonds, wurde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Erfolg für die Kennzeichnungspflicht von Polizisten in Deutschland erzielt.

Hier die Pressemitteilung der involvierten Anwälte Marco Noli und Dr. Anna Luczak:


Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat in einer heute veröffentlichten

Entscheidung in der Sache Hentschel und Stark (Nr. 47274/15) Deutschland wegen eines

ungeklärten Falles von Polizeigewalt verurteilt. Die beiden Beschwerdeführer waren 2007 nach

einem Fußballspiel von Polizisten mit Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen worden. Diese

Polizisten waren in voller Ausrüstung und trugen Helme, jedoch keinerlei individuelle

Kennzeichnung. Das auf Anzeige der Beschwerdeführer eingeleitete strafrechtliche

Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, nachdem die Münchner Polizei nicht ausreichend ermittelt

hatte.

 

Der Gerichtshof hat nun entschieden, dass die Beschwerdeführer in ihren aus dem Folterverbot

(Art.3 EMRK) ergebenden Rechten verletzt wurden. Für den Gerichtshof beinhaltet das

Folterverbot aus Art.3 EMRK auch Verfahrensgarantien, nämlich ein Recht auf effektive und

unabhängige Ermittlungen von Polizeigewalts-Vorwürfen.

 

Der EGMR hält in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass eine Kennzeichnung von Polizeibeamten

obligatorisch ist. Er schreibt wörtlich (Rn.91 des Urteils): Wenn nationale Behörden

maskierte Polizeibeamte einsetzen, sollten diese Beamten verpflichtet sein, wahrnehmbar unterscheidbare

Kennzeichnungen zu tragen, wie eine Nummer. Der Gerichtshof begründet dies damit, dass sonst

die Schwierigkeit der Identifizierung zur faktischen Straflosigkeit führt.

 

Im konkreten Fall bemängelt der Gerichtshof außerdem, dass die polizeilichen Ermittlungen zu dem

Vorfall nicht effektiv waren. Insbesondere hebt er hervor, dass das Verschwinden von polizeilichem

Videomaterial und die unterlassene Vernehmung der konkret bei dem Angriff eingesetzten Beamten

die Rechte der Beschwerdeführer verletzen (Rn.99 des Urteils). Mit Verweis auf den Umgang mit

verschwundenem polizeilichen Videomaterial kritisiert der Gerichtshof auch die fehlende

Unabhängigkeit der Ermittlungen durch die Polizei (Rn.96 des Urteils) . Für die Videos war die

Einheit verantwortlich, gegen die sich die Vorwürfe richteten.

 

Rechtsanwältin Dr. Luczak begrüßt, dass der Menschenrechtsgerichtshof klargestellt hat, dass

endlich alle Polizeieinheiten in Deutschland eine Kennzeichnung einführen müssen, wie von

Bürgerrechtsorganisationen schon seit Jahren gefordert.

 

Rechtsanwalt Noli fordert, Ermittlungen in Fällen von Polizeigewalt müssen von unabhängigen

Stellen durchgeführt werden, um solche Auswüchse, wie die Verwaltung von Beweisvideos durch

die beschuldigten USK-Einheiten selbst, zu verhindern. Die vom Gerichtshof festgestellten Mängel

bei der Ermittlung von Polizeigewalts-Vorwürfen sind in Bayern kein Einzelfall sondern ein

systematisches Problem.

 
 Dr. Anna Luczak                                         Marco Noli
 

Rechtsanwältin                                           Rechtsanwalt