Treffen sich zwei Kassenratsmitglieder und erinnern sich…

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Hallo Wilko. Sag mal, du bist doch auch schon seit Beginn im Fanrechtefonds dabei. Ging die Initiative damals eigentlich von ProFans oder von BAFF aus? Wie bist du da reingekommen?

Hi Sig. Stimmt, wir zwei sind die Alteingesessenen im Kassenrat. Das Bestreben war ja, den Fonds möglichst breit aufzustellen. Wir reden von Anfang 2005, damals waren ProFans und BAFF die einzigen bundesweiten Fanorganisationen. Sandra Schwedler, die damals bei beiden Organisationen aktiv war und heute dem Aufsichtsrat des FC St. Pauli vorsitzt, fragte mich, ob ich als BAFF-Vertreter mitmachen würde. Da musste ich nicht lange überlegen.

Stichwort „breit aufgestellt“ – wir hatten ja schon eine Menge Vereine im Kassenrat vertreten, neben Bremen und Union hatten wir St. Pauli, Bayern, Eintracht Frankfurt, Bielefeld, Osnabrück, Nürnberg, Hannover, Kaiserslautern, Freiburg, also wirklich quer durch Fußballdeutschland.

Und wenn wir den Beirat hinzurechnen, kommen noch wichtige Szenen hinzu, wie Köln, Dortmund, Hertha, HSV, Stuttgart, bis hin nach Offenbach am Main. Aber auch Menschen, die mit Fußball gar nicht so viel zu tun hatten, sondern von Bürgerrechtsorganisationen kamen.

Das Schöne ist ja, dass sich diese bunte Vielfalt auch in den spendenden Gruppen und Einzelpersonen wiederfindet. Und auch bei den unterstützten Fällen kamen die Betroffenen von den unterschiedlichsten Vereinen, obwohl es uns dabei ja nie um die Vereinszugehörigkeit ging.

Richtig, unser Fonds ist eben keine Art Rechtsschutzversicherung und auch kein Solifonds. Uns interessiert nicht vorrangig das Einzelschicksal, sondern die Rechtsprechung zu fanrelevanten Themen. Diese hat Auswirkungen auf alle, egal im Umfeld welches Vereines ein Musterfall angesiedelt ist und ob es dort eine Fanhilfe gibt. Als wir 2006 mit dem Fanrechtefonds an die Öffentlichkeit gingen, gab es in Deutschland auch noch keine örtlichen Fanhilfen, jedenfalls nicht so organsiert wie heute.

Ja, dadurch hatten wir auch anfangs so viele Spendengelder bekommen, dass es bis heute gereicht hat. Einige Prozesse konnten ja auch gewonnen werden, so dass das eingesetzte Geld in diesen Fällen zurückfloss. Aber jetzt brauchen wir dringend neue Spenden, weil der Fonds ausgeschöpft ist.

Unbedingt, sonst müssen wir ihn einstellen. Das wäre sehr schade, denn ich glaube, der Fanrechtefonds hat sich durchaus einen Namen gemacht, auch wenn wir in den letzten Jahren eher im Hintergrund gewerkelt haben, weil wir eben keine Spenden sammeln mussten. Doch es wird auch künftig wichtig sein, die geeignetsten Fälle unabhängig von der etwaigen Unterstützung durch eine Fanhilfe aufzuspüren und, wenn nötig, durch alle Instanzen zu bringen.

Wir hatten ja einen Fall zur Datei „Gewalttäter Sport“ bis vors Bundesverwaltungsgericht gebracht…

… wo das Innenministerium genau einen Tag vor dem Urteilsspruch eine bis dahin fehlende Rechtsverordnung erließ. Anderenfalls hätte das Bundesverwaltungsgericht, wie die Vorinstanzen, die Datei für formal rechtswidrig erklären müssen. Ich erinnere mich auch an ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof und an zwei Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht.

Einen Fall hatten wir sogar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in dessen Ergebnis die Bundesrepublik dafür gerügt wurde, dass Straftaten und Verfehlungen von Polizeiangehörigen ohne Kennzeichnungspflicht nicht adäquat verfolgbar sind. Was waren denn Deiner Meinung nach außerdem die prägnantesten Themen?

Neben der Datei „Gewalttäter Sport“ ging es immer wieder um Stadionverbote und ihre Handhabung, durchaus mit gewissen Erfolgen für uns, aber auch um Betretungsverbote. Es ging um Polizeikessel, um Ausreiseverbote und um Datenschutz und leider auch um eine ganz und gar unsägliche Maßnahme, nämlich Nacktkontrollen am Stadion.

Das war vor und nach der Zeit um die Weltmeisterschaft 2014, aber inzwischen ist es sehr ruhig um das Thema geworden.

Ja, das ist gewiss das Verdienst aller, die dazu beigetragen haben, die Polizei in Rechtfertigungsdruck für derartige Maßnahmen zu bringen. Auch der Fanrechtefonds hatte daran seinen Anteil. Aber weißt du, worüber ich mich am meisten ärgere? Dass es uns nicht gelungen ist, einen der Fälle zum Abschluss zu bringen, bei denen es um die Weitergabe von Verbandsstrafen wegen Pyro ging.

Stimmt, da haben die Vereine immer wieder unsere Kläger durch wahrlich unabweisbare Vergleichsangebote dazu gebracht, die Klage zurückzunehmen, um einen Präzedenzfall zugunsten der Fans zu vermeiden. Da sollten die Betroffenen dann plötzlich nicht mehr Zehntausende Euro zahlen, sondern nur noch ein paar Hundert.

Genau, und stattdessen hat der Bundesgerichtshof dann die Rechtsfrage, ob die Vereine ihre Fans überhaupt für Verbandsstrafen in Regress nehmen dürfen, anhand eines völlig atypischen Falls entschieden, wo es um einen Mega-Knallkörper mit sieben Verletzten ging. Kein Wunder, dass der BGH hier gegen den Zuschauer entschieden hat.

Zum Leidwesen aller anderen Fans, denn dieses Urteil ist nun maßgeblich. Da sieht man eben, wie wichtig es ist, Musterfälle sorgfältig auszuwählen und konsequent zu Ende zu bringen. Und dafür braucht es den Fanrechtefonds.