BGH Verhandlung – Stadionverbot – Zwischenstand

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Zur heutigen BGH-Verhandlung zum Thema Stadionverbot erklärt Wilko Zicht, Mitglied im Kassenrat des Fanrechtefonds:

„Der Bundesgerichtshof hat sein Urteil über die Zulässigkeit von bundesweiten Stadionverboten auf den 30. Oktober vertagt. Wir werten dies als positives Zeichen, dass der BGH sich der Bedeutung des Falles bewusst ist und eine sorgfältige Entscheidung treffen möchte.

Der Fanrechtefonds hat den Kläger des Verfahrens mit Spendengeldern von Fußballfans aus ganz Deutschland unterstützt, damit das Verfahren überhaupt bis zum Bundesgerichtshof gelangen konnte. Allzu oft hatten zuvor Fans den Weg durch alle Instanzen aufgrund der drohenden Kosten gescheut.

Der heute verhandelte Fall zeigt mustergültig, wie ungerecht Stadionverbote von den Vereinen vergeben werden. Die Richtlinien des DFB sehen vor, dass bereits bei der bloßen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen wird. Schon dies allein führt zwangsläufig dazu, dass auch viele unschuldige Fans auf Verdacht hin ausgesperrt werden. Doch selbst wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt, bleibt das Stadionverbot häufig bestehen. Unterschieden wird hierbei danach, ob das Verfahren mangels Tatverdacht (§ 170 StPO) oder wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO) eingestellt wird. Die pauschale Einstellung wegen Geringfügigkeit ist bei Vorfällen im Fußball-Zusammenhang der Regelfall, weil sich der Geschehensablauf für die Staatsanwaltschaft oft so unübersichtlich darstellt, dass ein unverhältnismäßig hoher Aufwand betrieben werden müsste, um die vergleichsweise harmlosen Tatvorwürfe aufzuklären.

Gegen eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit gibt es für die Betroffenen auch keinerlei Rechtsmittel, weil hiermit kein irgendwie gearteter Schuldspruch verbunden ist. Dennoch sehen die Stadionverbotsrichtlinien des DFB eine Aufhebung nur vor, wenn das Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt wurde, nicht aber bei einer Einstellung wegen Geringfügigkeit. Die Unschuldsvermutung wird somit in ihr Gegenteil verkehrt: Weil Polizei und Staatsanwaltschaft nicht in der Lage sind, den Vorfall eindeutig aufzuklären, gelten alle Verdächtige als schuldig und werden quasi stellvertretend für die unbekannten Täter in Sippenhaft genommen, indem man sie für lange Zeit aus allen Fußballstadien der Republik ausgesperrt.

Besonders absurde Blüten hat die willkürliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften im vorliegenden Fall getrieben, dem rund 60 Stadionverbote gegen Bayern-Fans zu Grunde lagen. Da sich gegen die Betroffenen kein Tatverdacht erhärten ließ, wurde zunächst ein Teil der Verfahren nach § 170 StPO eingestellt. Nachdem der Staatsanwaltschaft auffiel, dass dadurch auch die ausgesprochenen Stadionverbote aufgehoben werden mussten, hat sie dann die übrigen Verfahren nach § 153 StPO eingestellt, ohne dass aus den Ermittlungsakten auch nur ansatzweise ein Grund für diese Ungleichbehandlung hervorgehen würde. Unter den Personen, deren Verfahren lediglich wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, befand sich auch der vom Fanrechtefonds unterstütze Kläger.

Wir alle möchten ins Stadion gehen können, ohne Opfer von Ausschreitungen und Randale zu werden. Tatsächliche Gewalttäter gehören angemessen bestraft, und so manches Stadionverbot ist zweifellos berechtigt. Die Art und Weise aber, wie DFB und Vereine mit tatkräftiger Unterstützung von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Grundlage des Hausrechts ein Ersatz-Strafrecht unter Umgehung rechtsstaatlicher Selbtverständlichkeiten wie der Unschuldsvermutung und dem Verbot von Sippenhaft praktizieren, ist unserer freiheitlichen Demokratie schlicht unwürdig.

Wir wünschen dem Bundesgerichtshof die Weisheit und den Mut, diesem Treiben ein Ende zu bereiten.“